(3) Die Geschichte der St. Sebastianus Schütenbruderschaft

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(3) GESCHICHTE DER ST. SEBASTIANUS SCHÜTZENBRUDERSCHAFT DUISBURG-BUCHHOLZ E.V.

Ein Beispiel für die unter I. beschriebene Geschichte der Bruderschaften ist die St. Sebastianus Schützenbruderschaft Huckingen. Sie schreibt offiziell: "Gegründet 1687", ist aber wahrscheinlich älter; nur stammt das älteste Dokument aus diesem Jahr. Es handelt sich um eine Silberplatte des Königssilbers, die die Aufschrift trägt "1687 Andrist

Brockerhoff". Errichtet wurde sie als "Sterbe-Lade" (Leichengesellschaft) und diente vor allem dem Zwecke, ihren Angehörigen ein christliches Begräbnis zu sichern.

Ob die Wurzeln im 30 jährigen Krieg lagen? Wie häufig bei Vereinen und ähnlichen Einrichtungen lässt sich auch in Huckingen der Einfluss des Gesetzgebers feststellen. Im Jahre 1829 gab sich die "Schützengesellschaft zu Huckingen" eine "Constitution", da "die unterzeichneten Einsassen der Gemeinde Huckingen den Wunsch hegen, das bisher übliche Vogelschießen auch in Zukunft zu feiern". So lässt sich vermuten, dass zwischen den "von dem Herrn Landrathen von Lasberg erlassenen Polizei Reglements" und der schriftlich fixierten Gründung der "Leichengesellschaft der Sebastianus Bruderschaft in Huckingen" am 8. März 1826 ein enger Zusammenhang besteht. Anders ausgedrückt: Eine Polizei-Verordnung des Landrats zwingt die schon lange bestehende Bruderschaft, deren Regeln und Statuten jedermann kennt, sich eine schriftliche Satzung zu geben, die vom Landrat genehmigt wird.

In der Festschrift der Huckinger von 1926, die dem Chronisten u.a. als Quelle diente, werden eine Reihe von Namen genannt, von denen sich vermuten lässt, dass sie Buchholzern gehören könnten, z.B. Söltenfut (Sültenfuß), Siepenkothen, Schulin, Doppstadt u.a.;

nur von einer aber kann es sicher gesagt werden, von dem Präsidenten 1871-1874 Theodor Füßer.

Im Jahre 1912 kam es in Buchholz zur Gründung des Bürgerschützen-Vereins. Es ist heute nicht mehr klar festzustellen, warum er nicht als Bruderschaft gegründet wurde, denn in seiner ersten Satzung spielte noch'der Nächstendienst beim Leichengang eine große Rolle: Der "Schützenbruder", der an der Beerdigung eines anderen Schützenbruders nicht teilnahm, musste eine Geldbuße zahlen! Das zeigt deutlich Anlehnung an die Huckinger Satzung, und. zunächst hat der Bürgerschützen-Verein sich sicher als Nachfolgeverein des Huckingers für unseren Ort verstanden. Vielleicht wurde es auch deshalb keine Bruderschaft, weil gerade in den Jahren vor 1914 sehr viel mehr von der "vaterländischen Pflicht" der Schützen und sehr viel weniger von der "Bruderschaft" gesprochen wurde. Als in den zwanziger Jahren Lankes und Louis (s.o.) den Bruderschaftsgedanken wieder propagierten, fanden sich auch in Buchholz Männer, die das Fehlen einer Bruderschaft bedauerten. Nicht viele Namen werden in dieser Chronik verzeichnet, aber dieser muss genannt -werden: Wilhelm Klasen war der unermüdliche Werber und Organisator, der eine Reihe Buchholzer Männer begeisterte. Viele Hindernisse mussten überwunden werden, die meisten aus den eigenen Reihen. Am 17. August 1924 war es endlich so weit: 76 Männer aus Buchholz schrieben sich in die Gründerliste ein. Leider ist diese Liste in den Zeitwirren verloren gegangen. Schon in der Gründungsversammlung wurde das Fortwirken alter Tradition deutlich: das Fronleichnamsfest wurde als das Hochfest der Bruderschaft bestimmt; zur Unterstützung der Schützenbrüder und ihrer Frauen wurde eine Sterbekasse eingerichtet.

 

Sie sehen also, dass in der Geschichte ein enger Zusammenhang zwischen der Buchholzer und der Huckinger Bruderschaft besteht, wenn das auch nicht ausdrücklich bei ihrer Gründung festgestellt wurde.

Im Anfang standen in unserer Bruderschaft verständlicherweise die organisatorischen Arbeiten stark im Vordergrund. Was anderswo durch jahrelange Praxis in wohlbekannten Gleisen lief, musste hier erst mühsam erarbeitet werden. Gleichwohl wurde ab 1925 mit jährlich wachsendem Zuspruch aus der Bevölkerung das Schützenfest - zunächst noch Stiftungsfest genannt – gefeiert. In den ersten Jahren fand das Schießen in einer dem Huckinger Bruderverein gehörenden Kiesgrube am Biegerweg statt, später stellte der Vereinswirt Theodor Füßer einen Platz hinter seinem Saal zur Verfügung.

Wenn auch das Schützenfest mit seinem Gepränge nach außen hin am stärksten in Erscheinung trat, so wurde auch das Wesentliche nicht vergessen. Liest man doch immer wieder im Protokollbuch von Unterstützungen in Sterbefällen, während der Erwerbslosenzeit auch in anderen Notfällen.

Auf eine Fahne als Symbol der Gemeinschaft wollte man nicht verzichten und fand eine glückliche Lösung: der bekannte Kirchenmaler, Lehrer und Schützenbruder Theodor Sternberg entwarf ein Bild des heiligen Sebastian, das in seiner ruhigen Würde uns ein Vorbild sein will. Nicht der geschundene, leidende, sondern über die Verfolgung triumphierende Heilige wird uns gezeigt.


Es war für die Buchholzer keine Frage, ob sie der 1928 gegründeten Erzbruderschaft beitreten sollten. Sie hatten schon vorher engen Kontakt zu den Nachbarbruderschaften gepflegt, der Anschluss an die größere Gemeinschaft war nur ein folgerichtiger Schritt. An den Bildungstagen in Maria Laach, die unter Leitung des Abtes Dr. Ildefons Herwegen standen, nahmen Buchholzer Schützenbrüder rege teil. Als es zur Bildung eines Bezirksverbandes im Raume Angermund kam, war es unser pflichteifriger Präsident (so wurde damals der Brudermeister genannt) Wilhelm Klasen, der die Leitung übernahm und eine fruchtbare Zusammenarbeit erwirkte; die Schützen aus Großenbaum, Rahm, Angermund, Selbeck, Kalkum, Wittlaer, Serm, Mündelheim und Huckingen beteiligten sich.

Nach dem Gründungsjahr der Erzbruderschaft 1928 traten schwere Zeiten ein, nicht nur für die Bruderschaft, sondern für das ganze Volk, dem zu dienen sie als eine ihrer Aufgaben ansieht. 1929 bis 1933 drückte die immer größer werdende Not im Gefolge der Weltwirtschaftskrise, von deren Auswirkungen man in diesen Jahren fast in jedem Protokoll lesen kann: "Schützenfestwird in bescheidener Form gefeiert", „Beitragsermäßigung“,"Sonderbeitrag für Arbeitslose", "Hilfe für Notleidende" usw.

 

Nach 1933 wird immer spürbarer, wie der Einfluss der "Bewegung" die Arbeit einengte. 1936 kam der Schlussstrich; wie viele andere katholische Organisationen wurden auch Erzbruderschaft und Schützenbruderschaften aufgelöst. Jeder Schützenbruder musste nun 10 Jahre hindurch sich als Mann in Treue zu seinen Idealen bewähren. Es ist erfreulich, dass viele die Bewährung bestanden, jeder auf seine Art.

Nach dem Zusammenbruch Deutschlands im Jahre 1945 lag für die ersten Monate alles am Boden. Aber es ist erstaunlich, wie bald nach diesem niederschmetternden Erlebnis des Krieges wieder neues Leben sich regte. Und hier muss wieder der Name eines Mannes genannt werden: unser Schützenbruder und ehemaliger Bezirksbundesmeister Walter Zweers übernahm freudig die schwierige Aufgabe, die Treu gebliebenen und die Enttäuschten zu mutigem Neubeginn zu sammeln, unterstützt von der Gründergeneration der Bruderschaft.

 

1949 konnten wir im Beisein des Generalpräses Dr. Louis und des Oberbürgermeisters der Stadt Duisburg ein der Zeit entsprechend bescheidenes, aber doch eindrucksvolles Fest feiern. (Hier bleibt dem Chronisten nachzutragen, dass Buchholz seit 1929 Teil der Stadt Duisburg ist.) Ein erfreuliches Ergebnis des neuen Anfangs war, dass sich erstmals auch Jungschützen zur Mitarbeit in der Bruderschaft bereitfanden. Sie sind heute so sehr ihr Bestandteil, dass eine Arbeit ohne sie nicht denkbar wäre. Aus ihrer Schar sind im Laufe der Jahre viele Schützenbrüder hervorgegangen, die heute führend mit tätig sind.

 

Unsere Arbeit ist geprägt von dem Leitsatz des Bundes "Für Glaube, Sitte, Heimat". Diese Devise wird oft kritisiert, ja mit Spott zitiert, vor allem, weil die darin genannten Begriffe im allgemeinen Sprachgebrauch missverstanden werden. Darum muss der Chronist darauf näher eingehen. Er nimmt in diese Darstellung Gedanken unseres Hochmeisters Graf Spee hinein, geäußert beim Bundeskönigschießen 1973 in Koblenz.

"Glaube" darf nicht dargestellt werden als schematisches Herunterleiern von Dogmen, als gedankenloser Vollzug von Riten und als einzwängende, angstweckende Pflichtübung. Glaube sollte als etwas Befreiendes, jeden Beglückendes aufgezeigt und gelebt werden. Freiheit, Herzenswärme mit Verständnis und Hilfsbereitschaft für die Not der Benachteiligten und lebendige Hingabe - das ist der Kern des christlichen Glaubens. Solche Feststellungen können nicht im leeren Raum leben, darum unsere Bindung an die Kirche. In vielfältiger Weise versucht die Bruderschaft dem gerecht zu werden, nur einige Beispiele dafür: Bei kirchlichen Feiern wie Erstkommunion, Fronleichnamsprozession u.a. sowie beim Martinszug übernimmt sie Ordnungsaufgaben; Schützenbrüder übernehmen immer wieder Dienste in der Pfarre wie Kirchenvorstand, Pfarrgemeinderat u.a.

 

Mit dem Wort "Sitte" ist sowohl Tradition wie Sittlichkeit angesprochen. Beide aber sind heute fast verfemt, weil sie als Folge jahrelangen Missbrauches nicht mehr richtig verstanden werden. Tradition formt das Heute aus dem Gestern in das Morgen. Also bedeutet Tradition etwas nach vorne in die Zukunft Gerichtetes. Tradition beginnt eben dort, wo der Vorgänger aufhörte zu wirken. "Wer die Vergangenheit nicht kennt, wird die Zukunft nicht in den Griff bekommen" (Golo Mann). Das Leben eines Menschen reicht nicht aus, alle für ihn wichtigen Tugenden selbst zu erfinden, hier muss jeder aus der Erfahrung früherer Generationen lernen. Die Tradition erweist sich als unvermeidbare Quelle menschlicher Erfahrung.

Dagegen: ein Abreißen der Tradition kann alle kulturellen Normen sozialen Verhaltens wie eine Kerzenflamme auslöschen. „Radikale Gesinnung wächst meist aus einem engen Bewusstsein“ (Karl Steinbuch).

Sittlichkeit, oft diffamiert als moralinsaures Pharisäertum, ist nicht mehr und nicht weniger als die Grundvoraussetzung menschlichen Zusammenlebens. Oder kann eine Gesellschaft bestehen, ohne dass der Einzelne in ihr etwa das Leben, die Gesundheit oder das Eigentum des anderen achtet? Und wenn heute die Zahl der durch Fahrlässigkeit und Leichtsinn auf der Straße Verletzten und Getöteten immer mehr zunimmt, wenn ungeborenes Leben in immer größerem Umfang ungestraft getötet wird, dann muss man an das Wort des weltbekannten Philosophen Arnold J. Toyenbee denken: "Die Lücke zwischen der Technik und dem sittlichen Verhalten der Menschen beunruhigt mich, und diese Lücke vergrößert sich von Tag zu Tag". Wie diese Dinge vom einzelnen Schützenbruder vollzogen werden, gehört zum eigenen Verantwortungsbereich. Er kann aber nicht schweigen, wenn Entwicklungen in der Gesellschaft diese Grundlagen der Menschlichkeit in Frage stellen! Ein Teil der Tradition ist die Brauchtumspflege, maßvolle Fröhlichkeit in volkstümlich überlieferten Formen, wie Sie sie z. B. beim Schützenfest kennen.


Auch das Wort "Heimat" ist schillernd geworden. In dem einen weckt es den Gedanken an Kitschfilme, in dem anderen die Sehnsucht nach dem verlorenen Vaterhaus. Recht verstanden aber meint es dies: der Einzelne kann nicht leben ohne die Gemeinschaft, ohne den Mitmenschen, ohne "Kommunikation". Es sind nicht alleine der Ort, das Dorf, die Stadt, die Landschaft, die Heimat und Heimatgefühl stiften, sondern vor allem die Menschen, die darin leben. Dieser Heimat, gegliedert in Gemeinde, Land und Staat, soll der Schützenbruder dienen. Viele arbeiten mit in Parteien und Gewerkschaften, als Ratsherr oder in Ausschüssen des Rates und in Handwerkerinnungen. Aber ist nicht auch ein Schützenfest heimatbildend? Denken Sie daran, wie viel menschliche Kontakte, freundliche Gespräche, innere Aufmunterungen und Verwandtenbesuche von einem solchen Fest ausgelöst werden!

Seit der Herausgabe der letzten Festschrift im Jahre 1964 hat sich in der Bruderschaft einiges geändert, das Zeichen sein kann für die Rolle der Tradition im vorher aufgezeigten Sinn.

Die damals nur in der Hubertus-Jägerkompanie vollzogene Bildung kleinerer Gruppen innerhalb der Bruderschaft ist inzwischen soweit fortgeführt, dass jedes Mitglied sich einer solchen zugehörig fühlt. Sie können sie an der besonderen Tracht erkennen. Es bestehen heute:

 

Jungschützengruppe I

Jungschützengruppe 11

Stammkompanie

St. Hubertus-Jägerkompanie

St. Sebastianus Kompanie

St. Georg Kompanie

 

Die Entwicklung der Kompanien können Sie an anderer Stelle dieser Festschrift nachlesen. Fest steht, dass durch sie das Bruderschaftsleben entgegen ursprünglichen Befürchtungen intensiver geworden ist. Bis 1964 wählte üblicherweise der im Schießspiel ermittelte Schützenkönig die Frau eines anderen Schützenbruders zu seiner Königin. Der König von 1964 glaubte, dass an seine Seite als Königin die Frau treten sollte, die auch sonst Freud und Leid mit ihm teilte: seine Ehefrau. Wenn er auch nicht der erste war, der so handelte - sein Vorbild war der Mitgründer Johann Preuten, Schützenkönig im Jahre 1933 -, so könnte es doch sein, dass damit neuer Brauch begründet wurde, denn seitdem haben alle Könige ihre Frauen zur Königin erwählt.

Ich hoffe, dass Ihnen diese Chronik einige Freude gemacht hat. Ihre Fortsetzung können Sie "mitschreiben", wenn Sie Schützenbruder werden!