(8) Bruderschaft und Nationalsozialismus
(8) BRUDERSCHAFT UND NATIONALSOZIALISMUS
Wenn manJubiläumsfestbeiträge aus den siebziger Jahren liest, so wird darin die Zeit von 1933 bis 1945 meist sehr kurz abgehandelt. Dies geschah zumeist aus dem Grund, dass mancher der damals Handelnden noch lebte. Wer sich mit geschichtlichen Abläufen befasst, muss sich jedoch davor hüten, vergangene Zeiten nach heutigen Wissensständen und Wertvorstellungen zu beurteilen. Gut und Böse, das lässt sich niemals klar trennen. Buchholz war bis 1933 eine Hochburg der katholischen Zentrumspartei gewesen. Diese wurde im Ruhrgebiet auch von den katholischen Arbeitern überwiegend gewählt. Die verbreitete Zeitung in Buchholz war das "Echo vom Niederrhein". Diese gehörte Franz Wieber, der Gründer und Vorsitzender des Christlichen Metallarbeiter- Verbandes und Reichstagsabgeordneter war. Es gibt heute in Duisburg einen Wieber-Platz und das DGB Haus nennt sich nach ihn. Es stammt aus dem Besitz des CMV.
Das Zentrum löste sich auf, die Zeitung musste eingestellt werden, sie wurde verboten. Man muss jedoch davon ausgehen, dass das "nationale" Bewusstsein und Denken auch in Buchholz stark war. Dies war durch das Kaiserreich, den Weltkrieg und den Versailler Vertrag, sowie nicht zuletzt durch die französische Ruhrbesetzung so gewachsen. Die offizielle Reichsflagge war "Schwarz-Rot-Gold". Der Chronist kann sich nicht entsinnen, diese Fahne bei dem damals häufigen Beflaggen der Häuser gesehen zu haben. Man hatte immer noch eine Schwarz-weiß-rote Fahne. Mit manchen nationalen Forderungen der NSDAP war es so, dass sie nicht unbedingt abgelehnt wurden. Adolf Hitler war auf verfassungsmäßigem Weg in die Reichskanzlei gekommen. Mancher war der Meinung „sie mal dran zu lassen“, damit sie sich beweisen könnten. Hätten diese Hitlers Buch "Mein Kampf" gelesen, wäre ihnen klar gewesen, dass die NSDAP die Macht niemals abgeben würde. In den Protokollen wird von einer Versammlung berichtetin der der Rektor der Buchholzer Schule, Bongartz, ehedem Zentrumsvorsitzender, einen politischen Vortrag gehalten hat. Der Präsident Wilhelm Klasen, so berichtet der Schriftführer, sagte dazu abschließend: "dass wir alle selbstverständlich geschlossen hinter der neuen Reichsregierung stehen"!
Allerdings bekam die Bruderschaft den langen Arm der Partei bald zu spüren. Die Erzbruderschaft wurde verboten und aufgelöst. Den Bruderschaften wurde mitgeteilt, dass nur ein Verein Schießsport treiben sowie Schützenfeste veranstalten dürfe, der dem NS-Reichsbund für Leibesübungen, Abt. Schießsport angehörte. Reine kirchliche Arbeit war ihnen jedoch gestattet. Nur wenige Bruderschaften hatten den Mut, sich nicht anzuschließen. Dem Chronisten ist im Raum zwischen Duisburg und Düsseldorf nur eine bekannt. In Buchholz hatte man aber doch gerade erst begonnen! Sollte man schon wieder aufhören? Man ließ sich also in den Sportbund aufnehmen. Sofort begann die Gleichschaltung, das Führerprinzip musste eingeführt werden, der Präsident wurde von oben ernannt, die Versammlung durfte nur ja oder nein sagen. Die Schützenuniformen und Rangabzeichen wurden einheitlich vorgeschrieben und anderes mehr. Zunächst wurde auch Wilhelm Klasen in seinem Amt bestätigt, sah jedoch, wie die Protokolle ergeben nach einem Jahr keine Arbeitsmöglichkeit mehr. Dann wurde 1934 Gottfried Huth zum Präsidenten ernannt.
Ein Schützenbruder, der damals dabei war sagte nach der Wiedergründung: "Sie hätten Ihn ja nicht wählen brauchen." Ob sie wirklich die Wahl hatten? Unter Gottfried Huth wurden bald die ersten Fragen nach einem angeblich bevorstehenden Zusammenschluss mit den Bürgerschützen gestellt, jedoch bestritten. 1936 kam dann doch das Aus von oben. Der Verband vertrat die Ansicht, dass zwei schießsporttreibende Vereine in Buchholz unnötig wären. Die Bruderschaft und der Bürgerschützenverein wurden zwangsweise zum "Schützenverein Duisburg-Buchholz" zusammengeschlossen. Der neue Vorstand wurde aus beiden Vorständen gebildet, Gottfried Huth wurde Präsident des neuen Vereines, auch der Schriftführer Salz kam von der Bruderschaft. Nur von zwei Schützenbrüdern ist eine Aussage bekannt, dass sie sich geweigert hätten, in den neuen Verein übernommen zu werden. Da der neue Verein die Jahreszahl des Bürgerschützenvereines übernommen hatte und auch sein Fest "Am Stern" feierte, sah es für die Buchholzer so aus, dass die Sebastianer von dort geschluckt worden waren. Streng vereinsrechtlich betrachtet muss jedoch gesagt werden, dass auch der Bürgerschützenverein Buchholz von 1936 bis zur Neugründung nicht mehr existierte. Trotzdem haben diese Ereignisse nach dem Kriege zunächst das Verhältnis zwischen beiden Vereinen belastet, hierüber soll in einem gesonderten Beitrag berichtet werden. Gottfried Huth wurde die Vereinigung angelastet als Erfüllungsgehilfe der Partei. In der Festschrift zum 40-jährigen Bestehen der Bruderschaft wurde nicht sein Name als ehemaliger Präsident aufgeführt. Ob er eine Wahlmöglichkeit hatte? Wir, die wir die Ereignisse der "Wende" in der DDR miterleben durften, sehen vielleicht manches anders. Es war für die meisten doch unvorstellbar, was dabei an das Tageslicht kam und wie weit Staat und Partei in das Privatleben eingreifen können. Dort spricht ein evangelischer Bischof davon, dass man nicht alle SED Mitarbeiter und Gedanken(!) ausgrenzen könne. Bei uns ist das Aufspüren ehemaliger Nazis noch bis in die achtziger Jahre gelaufen und was wird für ein Theater über 2% Republikaner gemacht.